Nina aus Trier hatte erst eine offene Beziehung. Jetzt lebt sie polyamor – mit drei verschiedenen Menschen, die sie als „Herzensmenschen“ bezeichnet. Eine monogame Beziehung hat sie seit sieben Jahren nicht mehr. Hier erzählt sie von Eifersucht und Idealen.
Wie ist es dazu gekommen, dass du eine offene Beziehung hattest?
"Ich hatte schon lange das Gefühl, es wäre schön eher meinen als den gesellschaftlichen Ideen zu folgen. Dann haben mein Exfreund und ich beschlossen, dass wir das ausprobieren wollen. Und haben dann nach und nach die Beziehung geöffnet. Wir haben dann festgestellt, dass es als Frau wesentlich einfacher ist, neue Leute kennenzulernen."
Wie groß war dann der Aspekt Eifersucht?
"Wir haben uns in der Beziehung hauptsächlich darum gekümmert, dem Anderen Sicherheit zu geben. Dafür kann man verschiedene Skills lernen: Was die Kommunikation angeht oder Rituale, die man einführt. Zum Beispiel sich jeden Abend zu schreiben, auch wenn man ein anderes Date hat. Einfach um zu sagen: Ich mag dich immer noch und denke an dich."
Ihr seid mittlerweile nicht mehr zusammen – warum?
"Unsere Trennung hatte rein was damit zu tun, dass ich umgezogen bin. Und dadurch hat sich dann die Beziehung auseinandergelebt. Das hatte nichts mit der offenen Beziehung zu tun."
Jetzt lebt Nina eine Beziehung, die sie als „poly-artig“ beschreibt.
„Das ist absolut mein Ideal, ich lebe danach, dass man mehrere Menschen lieben kann.“
Aktuell datet Nina drei Personen. Eine seit Anfang des Jahres, „ich bin total verliebt und wir bauen gerade eine festere Beziehung auf!“ Eine zweite Person datet sie seit über einem Jahr und eine dritte ganz frisch, die beiden hatten gerade ihr erstes längeres Date. Diese Menschen nennt Nina ihre „Herzensmenschen“.
Wieso nennst du deine Partner „Herzensmenschen“?
"Ich glaube, dass es ganz viele Abstufungen gibt zwischen 'Ich bin Single' und 'Ich bin in einer Beziehung'. Das ist für mich dann ein Begriff, der sehr persönlich ist und sagen soll, dass die Menschen mir wichtig sind, wir aber noch keine Beziehung miteinander haben. Die drei haben sich noch nie getroffen, wissen aber alle voneinander und ich rede da auch sehr transparent drüber. Ich frage dann auch nach, ob Details zu viel sind oder ob ich weiter erzählen soll."
Wieso seid ihr überzeugt, dass das für euch der richtige Weg ist?
"Ich bin der Meinung, dass mit verschiedenen Menschen sehr individuelle Dinge entstehen. Das heißt, ich kann Beziehungen auf verschiedenen Grundlagen führen und all diese Einzigartigkeiten machen die Beziehungen aus. Ob ich jetzt mit jemandem gerne schlafe oder kuschle oder etwas unternehme. Und es ist oft so, dass ich finde, dass ein Partner einem nie alles geben kann. Einfach weil man so unterschiedlich ist.
Und sei es eben nur wegen verschiedener Hobbys. Ich vergleiche das mal mit einem Tanzpartner: Den hat man vielleicht, weil der Freund oder die Freundin nicht gerne tanzen. Genauso ist das für mich in offenen oder polyamoren Beziehungen. Dass man sich das sucht, was für die eigenen Bedürfnisse wichtig ist.
Ich denke, dass die meisten Strukturen sich so bei uns so eingeprägt haben, dass wir vergessen, was für uns individuell gut ist. Und für mich ist es total wichtig, nicht den Strukturen zu folgen, die gesellschaftlich vorgegeben sind, sondern denen, die gut für mich sind. Und mit meinem Beziehungspartner darüber „verhandeln“ zu können. Was ist unsere Beziehung ist und was erwarten wir voneinander?"
Was wäre, wenn dein Partner monogam werden möchte?
"Schwierige Frage! Wenn mir jemand sowas sagen würde, müsste ich wahrscheinlich sagen, dass das nicht meinem Ideal entspricht. Ich kann mir zwar vorstellen, in anderen Beziehungen gewisse Limits zu setzen, damit mein Partner sich sicher fühlt. Aber nicht offen und frei zu leben würde nicht meinem Ideal entsprechen. Und dann wäre ich nicht ich und so eine Beziehung möchte ich nicht führen. Ich würde mich also trennen."
Andersrum: Was wäre wenn dein Freund jemand anderen kennenlernt und sich verliebt?
"Empfinde ich als nicht so schwierig. Ich lebe offen weil ich denke, dass man sich in verschiedene Menschen verlieben kann. Das heißt, wenn mein Partner sich in jemand anderen verliebt, könnte das schwierig sein und ich eifersüchtig werden. Aber ich würde ihm auf jeden Fall wünschen, dass er glücklich ist. Und deswegen würde ich versuchen, damit umzugehen. Ich würde viel mit ihm darüber reden und vielleicht hätten wir ein Problem damit, die Beziehung weiterzuführen. Aber ich würde es versuchen."
Warst du schon mal eifersüchtig?
"Ja, klar. Das letzte Mal erst vor kurzem. Da hatte mein Partner Geburtstag und er hatte auch eine andere Frau eingeladen, die er datet. Ich mag die total gerne und es hat echt Spaß gemacht. Aber manchmal wenn die beiden dann irgendwie zu zweit im Pool rumgeplanscht haben war schon Eifersucht da. Weil ich mich ausgeschlossen gefühlt habe. Es war nicht so sehr, dass ich ihm das nicht gönne. Sondern eher, dass ich nicht teilhaben konnte. Und vielleicht findet er es dann mit ihr viel toller als mit ihr, das frage ich mich dann."
Wie gehst du dann damit um?
"Ich habe in der Situation erstmal nichts gesagt und versucht, es runterzuschlucken. Wir sind dann mit einer größeren Gruppe zurückgefahren, da war auch die andere Frau mit dabei. Wir haben dann zu dritt darüber geredet und alle festgestellt, dass es für uns Momente gab, in denen wir eifersüchtig waren. Er hatte das auch, weil ich mich mit ihr unterhalten habe und wir uns angefreundet haben. Da hat er sich ausgeschlossen gefühlt.
Es klingt vielleicht kompliziert, aber Eifersucht ist ja eigentlich total natürlich. Ich habe das Gefühl, dass das in monogamen Beziehungen oft verpönt ist oder als etwas Gesundes, als Zeichen der Liebe gesehen wird. Ich empfinde es aber so, dass es um den Umgang mit der Eifersucht geht. Und dass wir auf der Rückfahrt alle drei darüber reden konnten, habe ich als sehr schön und verbindend empfunden. Das hat auch gezeigt, dass wir uns alle wichtig sind."
Ist Polyamorie etwas für jeden?
"Ich denke durchaus, dass es nicht für jeden was ist. Aber ich denke auch, dass jeder diese Skills entwickeln kann, auch wenn man zu Eifersucht neigt. Und genau das mag ich an den offenen Konzepten. Man ist sich bewusster darüber, was für eine Beziehung man führt. Und auch wer man ist und welche Skills man hat. Ich habe auch viele Workshops besucht, wo es beispielsweise um vernünftiges Kommunizieren ging. Man kann da viel lernen. Aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden, für mich ist es einfach das richtige."
Über dieses Thema wurde auch in der UNSERDING-Morningshow mit Thurie am 18. August 2020 berichtet.