Ein DJ am DJ-Pult (Foto: pixabay.com/Pexels)
Warum werden Songs immer kürzer?

Kurze Songs sind längst nicht nur im HipHop aktuell, sondern auch in den Charts. Doch wie kommts? Was Social Media und Streams damit zu tun haben, hat uns Musikproduzent Tim aus Saabrücken erklärt.

Nina Chuba singt von Wildberry Lillets - und erklärt in zwei Minuten und 10 Sekunden all ihre Wünsche. Nathan Evans wurde mit seinem Song "Wellerman" über Nacht zum TikTok-Star... Dank einer Minute und 55 Sekunden. Und "Old Town Road" von Lil Nas X hat letztes Jahr einen Grammy gewonnen. Mit einer Songlänge von 1:46 Minuten.

Kurze Songs sind längst keine Seltenheit mehr und sie sind verdammt erfolgreich. Doch warum ist die Länge so wichtig?

Zwei Frauen liegen auf einer Wiese und hören über Kopfhörer etwas auf ihrem Smartphone. (Foto: IMAGO / Westend 61)

So wird Geld mit Streams verdient

Auf Spotify entscheiden die Sekunden, die gestreamt werden, wie viel Geld verdient wird. Wie das abläuft, erklärt Musikproduzent Tim: "Spotify wertet einen Stream ab 30 Sekunden. Sprich: Ist ein Song länger als 30 Sekunden, dann gibt es nicht mehr Geld, als wenn er nach 30 Sekunden endet. Deshalb ist es rein wirtschaftlich betrachtet für Künstler besser, den Song kurz zu halten, damit er öfter gehört wird. Denn dann gibt’s mehr Streams und damit dann auch mehr Geld."

ein Junge liegt im Bett und schaut auf sein Handy. Dort ist Spotify geöffnet. (Foto: IMAGO / YAY Images)

Ist ein Song hingegen fünf Minuten lang, wird er vielleicht nur einmal gehört und damit verdient der Artist auch nur einmal. Wirtschaftlich gesehen rechnen sich kurze Songs für die Künstlerinnen und Künstler mehr, vor allem auf Streaming-Plattformen.

Insta-Reels und TikToks

Wer mit seiner Musik also besonders viel Geld verdienen will, sollte die Länge beachten - und wie die Songs vermarktet werden. Genau da kommen Instagram-Reels und TikToks ins Spiel.

Tim: "Diese Tendenz zu kurzen Songs ist vor allem auch wegen Social Media da. Durch Instagram-Reels und Tiktoks werden ganz kurze Contents produziert. Das ist für die Plattformen selbst super, denn durch die kurzen Videos kann jeder schnell durchswipen und schnell entscheiden: Entweder mir gefällt der Content oder eben nicht."

Das komplette Interview mit Tim als Podcast
Audio (05:26 Min.)
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Von Social Media in die Charts

So können Social-Media-Plattformen auch ein riesiges Sprungbrett sein: Denn wem die Musik in den Reels gefällt, der wechselt einfach kurz die App und hört sich im Stream von Spotify & Co den Song in voller Länge an.

"Dann kommt der Song vielleicht in die eigene Playlist, die Leute mögen den Song und dann ist es auch egal, wenn der drei oder vier oder fünf Minuten lang ist", erklärt Tim weiter. Genauso landen immer wieder Songs auch in den Charts - die Mischung aus Social Media und Streaming ist für Musiker also wichtiger denn je.

So verändert TikToks neue Songs

Instagram und TikTok sind aber nicht nur Sprungbretter für Artists, sie verändern durch ihre Formate auch Songs: "Die Tendenz zu den kurzen Songs kam ja dadurch, dass die Aufmerksamkeitsspanne in diesen Videos einfach so kurz ist", erklärt Tim.

Eine Hand hält ein Smartphone, auf dessen Display die App "TikTok" zu sehen ist. (Foto: pixabay/8268513)

"Deswegen gibt’s keine langen Gitarren-Solos mehr, keine ewigen Intros und Outros oder irgendwelche instrumentalen Parts. All das wurde gestrichen und kompakter gehalten, so dass man so schnell wie möglich auf den Punkt kommt."

Seiner Meinung nach ist das ja eigentlich und eine kleine Challenge an die Künstler. So müsse die Message eben direkt auf den Punkt gebracht und die Leute sofort abgeholt werden - innerhalb ein paar Sekunden.

Aber wars das jetzt mit langen Songs?

Nein! "Ganz entscheidend ist einfach der Context", erklärt Tim. "Live vor der Bühne wird niemand wegswipen, da sind die Leute da um diesen Song zu hören. Oder auf einem Techno-Rave, da muss auch kein Song nach 30 Sekunden auf den Punkt kommen. Da geht's ja um ein Zustand, um ein Gefühl."

Die Aufgabe der Musiker sei es heute zu wissen, wann und wo ein Song kurz und knackig sein muss, um Aufmerksamkeit zu erregen - und auf welcher Plattfom er länger sein kann.

junge Leute feiern vor einer großen Bühne. (Foto: IMAGO / 7aktuell)

Aber ist das dann noch künstlerische Freiheit?

Für Tim schon: "Prinzipiell find ich's gut die Message kompakt hinzukriegen und sich so an den aktuellen Markt anzupassen. Es ist ja auch eine Herausforderung an die Kunst generell, ohne ihr Fesseln anzulegen. Es zeigt eher, dass man's drauf hat."


Artikel vom 06.02.2023

Über dieses Thema wurde auch in der Morningsshow mit Thurie & Lukas am 06.02.2023 berichtet.